Wer schon einmal den afrikanischen Kontinent bereist hat und das Glück hatte, die Wildnis hautnah zu erleben, dem wird der Begriff „Big Five“ sofort einfallen. So bezeichneten früher die Großwildjäger Elefant, Nashorn, Büffel, Löwe und Leopard, wobei die Auswahl sich dabei nicht in erster Linie auf die Körpergröße der Tiere bezog, sondern vorwiegend auf die Schwierigkeiten und Gefahren bei deren Jagd.
In meinem Garten-Dschungel von Gefahren zu reden, wäre übertrieben, aber Schwierigkeiten gibt es hier und da jeden Tag: lokales Wetter und sich änderndes Klima und damit die wichtige Wahl der passenden Pflanzen, den Zeitaufwand, einen großen Garten zu bewirtschaften und sich - wie in meinem Fall - seinen hortikulturellen Idolen anzunähern.
Meine „Big Five“ sind sowohl Vorreiter des Gartendesigns, des Gartenbaus als auch bahnbrechend für die Rolle der Frau in der zumindest vormals von Männern dominierten Gartenlandschaft. In ihrer jeweiligen Zeit waren die Fünf einflussreich, originell und inspirierend und sind es immer noch! Ich rede von William Robinson(1838-1935), dem irischen Gärtner und Schriftsteller, von Gertrude Jekyll (1843-1932), der Malerin und (Garten-Designerin, von Christopher Lloyd (1921–2006), einem der innovativsten, interessantesten und meisterhaftesten Gärtner des 20. Jahrhunderts, von Beth Chatto (1923-2018), der Pionierin für Nachhaltigkeit und Gartenstruktur und von Piet Oudolf (*1944), dem Meister der Nachahmung und des modernen, natürlichen Pflanzendesigns.
Alle vier zuletzt genannten hätten wahrscheinlich nicht das erreicht, wofür sie heute gefeiert werden, wenn nicht William Robinson in den britischen Landschaften seine Ideen zur Pflanzenzusammensetzung entwickelt hätte. Sein sensationelles Werk, „The Wild Garden“, sprengte sprichwörtlich die üblichen Staudenrabatten, um eine neue Ästhetik zu schaffen: winterharte Zierpflanzen und damit den Garten in die wilde Natur einzuführen, um naturalistische Pflanzungen in Wiese, Wald und an Ufern zu schaffen.
Getrude Jekyll, eine Zeitgenossin und enge Freundin Robinsons, war der weibliche Part der großen Pflanzendesigner des frühen zwanzigsten Jahrhunderts. Ihre Aversion gegen formale Gartenstrukturen brachte einige der besten Beispiele für die Arts and Craft-Bewegung hervor (authentische Materialien und Handwerk im Design). Jekylls Hintergrund als Malerin hat ihren Garten-Designstil stark beeinflusst. Sie nutzte oft subtile Farbabstufungen zwischen warmen und kühlen Pflanzenfarben, um die Stimmung der Komposition zu beeinflussen. Ohne professionelle Ausbildung in Gartenbau entwickelte sie das Anlegen von Staudenbeeten mit ihrem feinen Gefühl für Farben und entwickelte gezielt die Kontrastpflanzung zu einer künstlerischen Disziplin weiter.
Warum Gertrude Jekyll für mich auch heute noch wichtig ist? Ihrem eigenen Jahrhundert durch Talent, Stärke und Kreativität entwachsen, konnte sie Zwänge und Restriktionen der Gesellschaft hinter sich lassen, um eine eigene, unabhängige Karriere zu gestalten und sich zu entfalten.
Grenzen zu überschreiten, das Alltägliche zu verändern, ja zu revolutionieren, war auch das Motto des wohl kühnsten Gartenbauers unserer Zeit: Christopher Lloyd. Sein Anwesen „Great Dixter“ wurde- und hier findet man wieder überraschend den roten Faden der Geschichte- von Sir Edwin Lutyens hergerichtet, mit dem Gertrude Jekyll eine fruchtbare gartenarchitektonische Zusammenarbeit verband.
Christopher Lloyds unerwartete Kombinationen von einheimischen und tropischen Pflanzen, Mehr- und Einjährigen, Stauden und Gehölzen machten die Rabatten seines großen Gartens zu einer dauerhaften, überschwänglichen Gartenparty, die der Öffentlichkeit jederzeit zugänglich war und ist.
Sein Werk lebt weiter in seinen vielen Pflanzenzüchtungen, unter anderem auch in meinem Garten in Form einer wunderbaren Doldenpflanze, die alles im Beet um mindestens 1 Meter überragt. Jedes Jahr freue ich mich, dass ein Stückchen von Great Dixter bei mir weiterleben kann.
Alle großen Gärtner sind -wie alle Künstler einer Zeit- miteinander verlinkt, und so führt der Weg von Christopher Lloyd zu seiner Brieffreundin Beth Chatto, der großen Dame der englischen Gartenkultur, der Erbin von William Robinson und Gertrude Jekyll. Obwohl das naturalistische Gärtnern schon üblich war, ist Chatto dennoch eine Wege-Ebnerin für Gartenstrukturen und brilliante, natürliche Pflanzenkombinationen, die dem jeweiligen Klima standhalten können. Ihr berühmtester und einflussreichster Garten, der Kiesgarten, als gärtnerisches Experiment gestartet, wurde noch nie künstlich bewässert, alle Pflanzen wurden so gewählt, dass sie eigenständig überleben können, der Natur abgeschaut! Mehr noch gebührt ihr die große Anerkennung, dass sie experimentell die Kunstfertigkeit erlangte, Pflanzenkombination mit Form, Farbe und Textur nachhaltig zu verknüpfen. Schwierige Standorte wie trockener Schatten oder Feuchtzonen hinderten sie nicht daran, blühende Landschaften aus ihnen zu machen.
Genau dieses Prinzip der natürlichen Angepasstheit, hat Piet Oudolf perfektioniert. Obwohl auch ein experimentierfreudiger Züchter, ist er ebenso ein Popstar, der Über-Künstler unter meinen Idolen. Die einfacheren Pflanz-Strukturen von Lloyd und Chatto führt er mit seinen komplexen Stauden und Gras-Kombinationen auf ein für die meisten nicht zu erreichendes Level. Wer die New Yorker Highline oder den Lurie Garden in Chicago besucht hat, weiß, wovon ich spreche. Eine schier nicht enden wollende Welt an Farbe, Form und Struktur begeistert nicht nur den Gartenliebhaber. Dicht geknüpften Wandteppichen gleich, scheint die Pflanzengemeinschaft durch alle Jahreszeiten zu wogen. Die stärkste Qualität seiner Pflanzendesigns: keine Nachahmung der Natur, sondern eine künstlerische Interpretation. Oudolf sagt selbst: "Meine ganze Arbeit steht im Zusammenhang mit dem Versuch, das spontane Gefühl von Pflanzen in der Natur wiederherzustellen“.
Wer wollte das nicht? Dass etwas tiefer geht als das, was man sieht. Dass es uns daran erinnert, was in den Genen der Natur verborgen liegt, die Sehnsucht nach der Natur, nach Perfektion im Natürlichen." Und so versuche ich im jährlichen Kampf mit meinen Garten-Idealen die „Big Five“ um mich zu scharen und ihnen ein paar Garten-Weisheiten zu entlocken. Es ist ein schwieriger, manchmal auch enttäuschender Weg, die Wahlmöglichkeiten unendlich. Nicht umsonst heißen sie bei mir die „Großen Fünf“: sie zu jagen, ja vielleicht sogar einzufangen benötigt Geduld, Leidenschaft und Kenntnis.
Aber was wäre das Leben ohne Herausforderungen?
Wenn Kaiser Friedrich den Duke of York trifft...
Das Bienen- oder Insektensterben im Allgemeinen ist zurecht in aller Munde, fast täglich liest oder hört man zu diesem Thema. Wer sich mit Gemüseanbau oder ökologischer Landwirtschaft im Allgemeinen beschäftigt, vielleicht sogar Selbstversorger ist, der weiß noch von einem anderen Sterben: dem der alten Nutzpflanzen. Über Jahrtausende haben sich die Menschen ihre eigenen, dem jeweiligen Klima angepassten Sorten, geschaffen. Es sind mehrere zehntausende Nutzpflanzen bekannt, jedoch nur ca. 150 zählen heutzutage zu dem erlesenen Kreis, der die Menschheit mit Masse ernährt.
Pflanzen, die nicht leistungsfähig genug sind, die schwierig zu halten sind, oder bestimmte Normen wie Form, Farbe oder Gewicht nicht erfüllen können, fallen durchs Raster, werden per Verordnung aussortiert.
Mit der Industrialisierung der Landwirtschaft und Erschaffung von Hochleistungs-Gemüsesorten, die so uniform wie Tischtennisbälle sind und die die Fähigkeiten unserer Geschmackssinne seit Dekaden extrem unterfordern, haben sich Tausende alter Nutzpflanzen von unseren Tellern verabschiedet. Züchtung und Verkauf der handelsüblichen Obst- und Gemüsesorten liegen in den Händen weniger Großkonzerne. Die stellen sicher, dass durch den Vertrieb von Hybridsorten (eingeschränkt fortpflanzungsfähige Sorten) kein samenfestes Saatgut mehr vom Verbraucher selbst produziert werden kann. Das Ergebnis: Landwirte und wir Endverbraucher in Abhängigkeit, genormtes Gemüse und Obst, Verlust der biologischen Vielfalt und damit Verlust des unverwechselbaren Geschmacks.
Dank unermüdlichen Rettern wie dem Saatgutvermehrer Dreschflegel, den vielen passionierten Hobbygärtnern oder dem Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (VEN) kamen in letzten Jahren historische Varietäten wieder zurück aus ihrer Verbannung. Leider sieht man diese Sorten nicht im Supermarkt, wo sich Erdbeeren fast zu jeder Jahreszeit tummeln, Böhnchen aus Kenia und junge Kartoffeln aus Zypern eingeflogen werden… Alles, was das Herz begehrt - aber die Zunge auch?
Seit in unserem Gemüsegarten selbst gezogene Tomaten wachsen (samenechte, alte Kultursorten), macht meine Zunge jedenfalls nicht mehr alles mit.
Tomate ist gleich Tomate, immer schön rund, glatt und möglichst rot? Weit gefehlt! Von apfelartig-süß bis ananasfruchtig-sauer, etwas scharf und fast prickelig im Mund, so kommen Sorten wie „Green Zebra“, „Orange mit Violettfleck“, der „Sibirische Malachit“, „Berner Rose“, „Cherokee Purple“ oder „Ananas“ daher. Ein bunter Tomatensalat kann internationaler nicht sein und ist ein wirklicher Augen- und Geschmacksknospen-Öffner.
Die Liste der fast verschollenen Gemüse lässt sich beliebig und lang fortsetzen. Kartoffeln in blau, rot und lila sind keine neumodischen Züchtungen, sondern waren vor hundert Jahren wahrscheinlich in Schottland, Skandinavien oder Frankreich Gang und Gäbe, delikate Stangen- und Buschbohnen oftmals vom amerikanischen Kontinent, wurden von deutschen Auswanderern Anfang des 20. Jahrhunderts aus der Heimat mitgenommen. Einige widerstandsfähige Obstsorten finden ihren Weg zurück zu uns aus den osteuropäischen Weiten. Der frostharte, stark aromatische Pfirsich „Wunder von Perm“, um nur ein Beispiel zu nennen, wurde einst vor 200 Jahren aus dem Ural nach Deutschland gebracht. Man kann ihn leider als Frucht nicht im Laden kaufen, aber der Artländer Pflanzenhof bietet ihn, neben vielen alten Liebhabersorten, als Bäumchen an.
Neben meinen Lieblings-Pflaumen und Mirabellen aus Omas Zeiten wachsen auf dem Nachbarbeet lila und gelbe Buschbohnen, alter Indianermais und einige historische Kartoffel- und Kohlsorten. Da leuchtet mir der Duke of York entgegen, wenn ich im Frühsommer die Erde vorsichtig umgrabe: es ist nämlich eine besonders leckere, pinkfarbene Kartoffel, die mit Kaiser Friedrich, der Butterbohne, harmonisch in Mischkultur steht. Geschichtlich wäre das Treffen dieser beiden Herren absolut unmöglich gewesen, und so treffen sie sich über 120 Jahre später bei mir auf dem Teller, ein wahrhaftig historisches Ereignis und garantiert auch eins für meine Geschmacksknospen.
Wer sich für samenfestes Saatgut interessiert, dem empfehle ich u. a. folgende Webseiten:
Wenn Kaiser Friedrich den Duke of York trifft...
Das Bienen- oder Insektensterben im Allgemeinen ist zurecht in aller Munde, fast täglich liest oder hört man zu diesem Thema. Wer sich mit Gemüseanbau oder ökologischer Landwirtschaft im Allgemeinen beschäftigt, vielleicht sogar Selbstversorger ist, der weiß noch von einem anderen Sterben: dem der alten Nutzpflanzen. Über Jahrtausende haben sich die Menschen ihre eigenen, dem jeweiligen Klima angepassten Sorten, geschaffen. Es sind mehrere zehntausende Nutzpflanzen bekannt, jedoch nur ca. 150 zählen heutzutage zu dem erlesenen Kreis, der die Menschheit mit Masse ernährt.
Pflanzen, die nicht leistungsfähig genug sind, die schwierig zu halten sind, oder bestimmte Normen wie Form, Farbe oder Gewicht nicht erfüllen können, fallen durchs Raster, werden per Verordnung aussortiert.
Mit der Industrialisierung der Landwirtschaft und Erschaffung von Hochleistungs-Gemüsesorten, die so uniform wie Tischtennisbälle sind und die die Fähigkeiten unserer Geschmackssinne seit Dekaden extrem unterfordern, haben sich Tausende alter Nutzpflanzen von unseren Tellern verabschiedet. Züchtung und Verkauf der handelsüblichen Obst- und Gemüsesorten liegen in den Händen weniger Großkonzerne. Die stellen sicher, dass durch den Vertrieb von Hybridsorten (eingeschränkt fortpflanzungsfähige Sorten) kein samenfestes Saatgut mehr vom Verbraucher selbst produziert werden kann. Das Ergebnis: Landwirte und wir Endverbraucher in Abhängigkeit, genormtes Gemüse und Obst, Verlust der biologischen Vielfalt und damit Verlust des unverwechselbaren Geschmacks.
Dank unermüdlichen Rettern wie dem Saatgutvermehrer Dreschflegel, den vielen passionierten Hobbygärtnern oder dem Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (VEN) kamen in letzten Jahren historische Varietäten wieder zurück aus ihrer Verbannung. Leider sieht man diese Sorten nicht im Supermarkt, wo sich Erdbeeren fast zu jeder Jahreszeit tummeln, Böhnchen aus Kenia und junge Kartoffeln aus Zypern eingeflogen werden… Alles, was das Herz begehrt - aber die Zunge auch?
Seit in unserem Gemüsegarten selbst gezogene Tomaten wachsen (samenechte, alte Kultursorten), macht meine Zunge jedenfalls nicht mehr alles mit.
Tomate ist gleich Tomate, immer schön rund, glatt und möglichst rot? Weit gefehlt! Von apfelartig-süß bis ananasfruchtig-sauer, etwas scharf und fast prickelig im Mund, so kommen Sorten wie „Green Zebra“, „Orange mit Violettfleck“, der „Sibirische Malachit“, „Berner Rose“, „Cherokee Purple“ oder „Ananas“ daher. Ein bunter Tomatensalat kann internationaler nicht sein und ist ein wirklicher Augen- und Geschmacksknospen-Öffner.
Die Liste der fast verschollenen Gemüse lässt sich beliebig und lang fortsetzen. Kartoffeln in blau, rot und lila sind keine neumodischen Züchtungen, sondern waren vor hundert Jahren wahrscheinlich in Schottland, Skandinavien oder Frankreich Gang und Gäbe, delikate Stangen- und Buschbohnen oftmals vom amerikanischen Kontinent, wurden von deutschen Auswanderern Anfang des 20. Jahrhunderts aus der Heimat mitgenommen. Einige widerstandsfähige Obstsorten finden ihren Weg zurück zu uns aus den osteuropäischen Weiten. Der frostharte, stark aromatische Pfirsich „Wunder von Perm“, um nur ein Beispiel zu nennen, wurde einst vor 200 Jahren aus dem Ural nach Deutschland gebracht. Man kann ihn leider als Frucht nicht im Laden kaufen, aber der Artländer Pflanzenhof bietet ihn, neben vielen alten Liebhabersorten, als Bäumchen an.
Neben meinen Lieblings-Pflaumen und Mirabellen aus Omas Zeiten wachsen auf dem Nachbarbeet lila und gelbe Buschbohnen, alter Indianermais und einige historische Kartoffel- und Kohlsorten. Da leuchtet mir der Duke of York entgegen, wenn ich im Frühsommer die Erde vorsichtig umgrabe: es ist nämlich eine besonders leckere, pinkfarbene Kartoffel, die mit Kaiser Friedrich, der Butterbohne, harmonisch in Mischkultur steht. Geschichtlich wäre das Treffen dieser beiden Herren absolut unmöglich gewesen, und so treffen sie sich über 120 Jahre später bei mir auf dem Teller, ein wahrhaftig historisches Ereignis und garantiert auch eins für meine Geschmacksknospen.
Wer sich für samenfestes Saatgut interessiert, dem empfehle ich u. a. folgende Webseiten:
Wenn Kaiser Friedrich den Duke of York trifft...
Das Bienen- oder Insektensterben im Allgemeinen ist zurecht in aller Munde, fast täglich liest oder hört man zu diesem Thema. Wer sich mit Gemüseanbau oder ökologischer Landwirtschaft im Allgemeinen beschäftigt, vielleicht sogar Selbstversorger ist, der weiß noch von einem anderen Sterben: dem der alten Nutzpflanzen. Über Jahrtausende haben sich die Menschen ihre eigenen, dem jeweiligen Klima angepassten Sorten, geschaffen. Es sind mehrere zehntausende Nutzpflanzen bekannt, jedoch nur ca. 150 zählen heutzutage zu dem erlesenen Kreis, der die Menschheit mit Masse ernährt.
Pflanzen, die nicht leistungsfähig genug sind, die schwierig zu halten sind, oder bestimmte Normen wie Form, Farbe oder Gewicht nicht erfüllen können, fallen durchs Raster, werden per Verordnung aussortiert.
Mit der Industrialisierung der Landwirtschaft und Erschaffung von Hochleistungs-Gemüsesorten, die so uniform wie Tischtennisbälle sind und die die Fähigkeiten unserer Geschmackssinne seit Dekaden extrem unterfordern, haben sich Tausende alter Nutzpflanzen von unseren Tellern verabschiedet. Züchtung und Verkauf der handelsüblichen Obst- und Gemüsesorten liegen in den Händen weniger Großkonzerne. Die stellen sicher, dass durch den Vertrieb von Hybridsorten (eingeschränkt fortpflanzungsfähige Sorten) kein samenfestes Saatgut mehr vom Verbraucher selbst produziert werden kann. Das Ergebnis: Landwirte und wir Endverbraucher in Abhängigkeit, genormtes Gemüse und Obst, Verlust der biologischen Vielfalt und damit Verlust des unverwechselbaren Geschmacks.
Dank unermüdlichen Rettern wie dem Saatgutvermehrer Dreschflegel, den vielen passionierten Hobbygärtnern oder dem Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (VEN) kamen in letzten Jahren historische Varietäten wieder zurück aus ihrer Verbannung. Leider sieht man diese Sorten nicht im Supermarkt, wo sich Erdbeeren fast zu jeder Jahreszeit tummeln, Böhnchen aus Kenia und junge Kartoffeln aus Zypern eingeflogen werden… Alles, was das Herz begehrt - aber die Zunge auch?
Seit in unserem Gemüsegarten selbst gezogene Tomaten wachsen (samenechte, alte Kultursorten), macht meine Zunge jedenfalls nicht mehr alles mit.
Tomate ist gleich Tomate, immer schön rund, glatt und möglichst rot? Weit gefehlt! Von apfelartig-süß bis ananasfruchtig-sauer, etwas scharf und fast prickelig im Mund, so kommen Sorten wie „Green Zebra“, „Orange mit Violettfleck“, der „Sibirische Malachit“, „Berner Rose“, „Cherokee Purple“ oder „Ananas“ daher. Ein bunter Tomatensalat kann internationaler nicht sein und ist ein wirklicher Augen- und Geschmacksknospen-Öffner.
Die Liste der fast verschollenen Gemüse lässt sich beliebig und lang fortsetzen. Kartoffeln in blau, rot und lila sind keine neumodischen Züchtungen, sondern waren vor hundert Jahren wahrscheinlich in Schottland, Skandinavien oder Frankreich Gang und Gäbe, delikate Stangen- und Buschbohnen oftmals vom amerikanischen Kontinent, wurden von deutschen Auswanderern Anfang des 20. Jahrhunderts aus der Heimat mitgenommen. Einige widerstandsfähige Obstsorten finden ihren Weg zurück zu uns aus den osteuropäischen Weiten. Der frostharte, stark aromatische Pfirsich „Wunder von Perm“, um nur ein Beispiel zu nennen, wurde einst vor 200 Jahren aus dem Ural nach Deutschland gebracht. Man kann ihn leider als Frucht nicht im Laden kaufen, aber der Artländer Pflanzenhof bietet ihn, neben vielen alten Liebhabersorten, als Bäumchen an.
Neben meinen Lieblings-Pflaumen und Mirabellen aus Omas Zeiten wachsen auf dem Nachbarbeet lila und gelbe Buschbohnen, alter Indianermais und einige historische Kartoffel- und Kohlsorten. Da leuchtet mir der Duke of York entgegen, wenn ich im Frühsommer die Erde vorsichtig umgrabe: es ist nämlich eine besonders leckere, pinkfarbene Kartoffel, die mit Kaiser Friedrich, der Butterbohne, harmonisch in Mischkultur steht. Geschichtlich wäre das Treffen dieser beiden Herren absolut unmöglich gewesen, und so treffen sie sich über 120 Jahre später bei mir auf dem Teller, ein wahrhaftig historisches Ereignis und garantiert auch eins für meine Geschmacksknospen.
Wer sich für samenfestes Saatgut interessiert, dem empfehle ich u. a. folgende Webseiten:
Pflanzt du schon oder suchst du noch?
Mein innerer Schweinehund wohnt in meinem Garten. Hat er immer schon gemacht. Er hockt da und wartet darauf, dass es Frühling wird, die Baumschulen öffnen oder meine Lieblings-Staudengärtnerei mir ankündigt, dass die Gartensaison beginnt! Dann, so meint er, ist seine Zeit gekommen, um möglichst viel Unruhe zu stiften.
Kennt man doch, das Gefühl, wenn man in einer Gartenzeitschrift blättert oder durch eine Baumschule geht?
Der passionierte Gartenliebhaber weiß, dass er seinen ganzen Garten auf den Kopf stellen, alte Pläne verwerfen, neue Pflanzkombinationen ausprobieren und die Saatguthersteller dieser Welt ein Stückchen reicher machen MUSS! Eigentlich… Aber im Rausch der Sinne Pflanzen auszusuchen, ist wie Einkaufen im Supermarkt, wenn man hungrig ist: keine gute Idee! Der Schweinehund tobt- natürlich, ihm ist nur beizukommen, wenn man einen, sehr strengen Plan verfolgt.
Um der Pflanzen-Sucht zu entkommen, stelle man sich doch einmal diese einfachen Fragen: Wie sind die klimatischen Bedingungen meines Gartens, wie ist der Boden aufgebaut, wo sind Sonnen- und Schattenplätze, gibt es Trocken- oder Feuchtzonen? Mit diesen Markern reduziert sich die Auswahl an potentiellen Pflanzenkandidaten schon einmal erheblich. Eine Sumpfdotterblume wächst, wie der Name schon sagt, ungern in einem Steingarten und ein üppiger Rhododendron ist bei uns im kalkigen Elm eher die seltene Ausnahme.
Wer an langlebigeren Strukturen interessiert ist, pflanzt umwelt-typisch. Sicher, die meisten der heutigen Stauden sind nicht urheimische, aber seit vielen Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten, angesiedelte und nun unserem Klima bestens angepasste Pflanzen.
Das Gegenargument, dass Gärten doch sowieso künstliche Anlagen seien, in denen man die (Garten)-Kunst sozusagen auf die Palme treiben kann, bleibt nicht ungehört. Ja, mit viel Aufwand an Zeit, Bodenaustausch, Dünger und Winterschutz wird der eine oder andere Exot auch in unseren Breiten überleben. Die meisten Gartenbesitzer, und dazu zähle ich mich auch, möchten aber natürlicherweise erfolgreich gärtnern. Die Pannen und Rückschläge kommen schon von ganz allein mit einfacheren Aufgaben als der, Oleander und Co. zu überwintern.
Mein Credo: Layer-Planting mit klima-genügsamen Sorten! Es ist die einfache, aber effektive Formel für Pflanzentwürfe, wenn es um Flächen geht. Mein Anliegen ist nicht, die Natur vollständig zu kopieren, sondern meine eigenen Interpretationen und Variationen mit naturhaften Pflanzung umzusetzen. Da können auch schon mal Präriegräser oder hohe Zierminzen aus Nordamerika miteinander schwingen und Bodendecker aus Vorderasien mit dem einheimischen Fingerhut ein Schattenbeet erobern. Sie alle sind klimatisch angepasst und für unsere Breiten erprobt. Bei der Auswahl von Sträuchern und Bäumen schränke ich mich mehr ein. Tulpenbäume zB. sehen in Parks oder großen, öffentlichen Anlagen fantastisch aus, würden aber in den meisten unserer Gärten einfach aufgrund ihrer Größe alles andere erschlagen. Warum nicht die einheimische Felsenbirne (Amelanchier, bis ca. 7m), einen Hahnendorn (Crataegus crus-galli) oder einen kleineren Ahorn versuchen? Alle drei warten mit einer zauberhaften Frühlingsblüte, einem gefälligen Wuchs und zumeist einer atemberaubenden Farbenpracht in Blatt und Frucht im Herbst auf. Gehölze wie der Faulbaum (Rhamnus) sind leider völlig in Vergessenheit geraten, er ist aber die Nahrungsquelle für Zitronenfalter und eine wichtige Anflugstelle für Bienen und andere Insekten. Die immergrüne Berberitze (Berberis julianae) oder der halbimmergrüne Feuerdorn (Pyracantha) können die hierzulande gerne und von mir gefürchteten großblättrigen Kirschlorbeer-Sträucher ersetzen. Man wird erstaunt feststellen, dass es eine unglaublich große Auswahl an einheimischen Gehölzen gibt, die, geschickt geplant, sich zu einer Vogelschutz- und Insektenhecke verbinden lassen, ohne es wie einen Knick aussehen zu lassen.
Viele regionale Baumschulen stehen für die Auswahl und Beschaffung von Gehölzen hilfreich zur Seite und wer speziellere Wünsche hat, findet qualitativ hochwertige Baumschulen auch über das Internet.
Und was sagt der Schweinehund dazu? Er reibt sich die Hände, wohlwissend: auch von den einheimischen Arten gibt es so viele schöne Varianten, dass man doch wieder die Qual der Wahl haben und wahrscheinlich komplett anders kaufen wird, als das der so sorgfältig gemachte Plan vorschreibt. Stark bleiben!!
„Weißt du wie der Sommer riecht ? "...
„…nach Birnen und nach Nelken, nach Äpfeln und Vergissmeinnicht, die in der Sonne welken, nach heißem Sand und kühlem See und nassen Badehosen, nach Wasserball und Sonnencreme, nach Straßenstaub und Rosen…“
Dieses Lied haben wir, der Maus und dem Elefanten sei Dank, etliche Sommer lang mit unseren Kindern zusammen gesungen! Es hat nicht nur einen inhaltsschweren Text- es ist, für mich zumindest, auch extrem wahr. Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke - und das mache ich oft seit wir selbst die Elterngeneration sind – dann sehe ich wenige Alltagsbilder, sondern fühle hauptsächlich diese Szenen der Freiheit, wie oben besungen: Lange Tage des Umherstreifens durch Feld, Wald und Flur. Den seltenen Anblick von Mutter und Vater am Wochenende wegen ausgedehnter Waldtouren mit Freunden; zerzauste, dreckige Kinder, die mit entsprechend hungrigen Mägen am Abend nach Hause zurückkehren. Ich rieche die Salzwiesen am Meer, höre das Rauschen der Wellen in den langen Sommerferien und ja, sehe das immerwährende Flirren der Insekten über den heißen Wegen und an den kühlen Bächen unserer Lager. Das mag kitschig klingen, ist aber tatsächlich so erlebt worden.
Was haben wir Umherstreifer nicht alles gesehen, gehört, geschmeckt und gerochen! Die Nase ist doch eine tolle Erfindung der Natur! In meinem Fall sind Erinnerungen weniger detaillierte Bilder als vielmehr Gerüche. Meine Kindheit, so fühlt es sich zumindest heute an, war ein Duftcocktail aus Salzwiese, Klatschmohn und Sommerjasmin, der aus überwogenden Büschen sein Parfum im Juli direkt vor meinem Zimmerfenster verströmte. Der Garten meiner Großeltern riecht für mich zurückblickend vor allem nach weißen Narzissen, Pfingstrosen und sommerlichen, herrlich knackigen Klaräpfeln, die mein Opa mir mit dem langen Apfelpflücker von ganz oben aus dem Baum holte. Der Herbst folgte mit dem nussigen Aroma der Eicheln und Kastanien, schrecklich sauren, noch unreifen Schlehenbeeren, Kartoffelfeuern, erdig riechenden Laubhaufen und Astern, mit dem typisch würzig-scharfen Chrysanthemen-Duft.
Kein Wunder also, dass ich es zu einer meiner wichtigsten persönlichen Aufgaben gemacht habe, diese Aromen, sozusagen als die konservierte Kindheit, in meinen eigenen Garten zurück zu holen. Der frühe bis späte Sommer bietet ein Potpourri an unterschiedlichsten Düften, die einfach glücklich machen müssen, während der Herbst melancholische, sanfte Nasen verführen kann. Wer träumt als Gartenmensch nicht davon, einen lauen Frühlingsabend unter einem betörend riechenden Flieder oder Schneeball (Viburnum) zu verbringen, seine Hände über weich schwingende Gräser am Wegesrand streifen zu lassen und dabei ganz tief im Wildkräuterduft zu versinken? Die süßen, fruchtigen und schweren Noten stehen bei den meisten sicherlich ganz oben auf der Top 10-Duftliste, Maiglöckchen zB. dürfen eigentlich in keinem Duftgarten fehlen. Ebenso wenig wie Bauernjasmin (Philadelphus), Wildrosen, Lavendel, die einjährigen Duftwicken, Levkojen, Bartnelken und der Sommerflieder. Letzterer ist nicht nur eine Augen- sondern auch eine Insektenweide. Die nach Honig riechenden Blüten des Sommerflieders bieten Schmetterlingen und Bienen gleichsam einen Rast- und Futterplatz.
Am schönsten aber ist für mich der Geruch einer Sommerwiese, die mit der aufsteigenden Wärme unzählige Duftnoten verteilt. Salbei, Margariten, Gräser, Labkraut, Skabiosen, Klee, wilde Malven…. Seit ich unsere eigene Wild-Wiese angelegt habe, gehe ich im Sommer fast täglich einmal um sie herum, bestaune die neuen Pflanzen, freue mich über jedes Insekt, das auf einer Blüte landet, sehe selten gewordene Falter, Hummeln und Wildbienen. Ich bilde mir ein, dass durch dieses Stückchen Wiese ein kleiner Zufluchtsort geschaffen wurde, nicht nur für mich! Und wenn das Wetter und die Zeit es zulassen, setze ich mich einfach hinein ins Gras und lasse die Wiese um mich herumwogen und die Insekten flirren - genau wie früher.
Alle Theorie (und Praxis ) ist nicht Grau !
In meinen über 20 Jahren gelebter Gartenpraxis sind mir schon einige, wenn nicht hunderte Artikel über Garten- Um+Neugestaltung untergekommen. Ich muss gestehen, sie waren mir selten hilfreich. Es ist natürlich extrem undankbar, allgemein über Gartengestaltung zu schreiben, wenn doch jeder grüne Fleck ein anderes Biotop ausmacht. Es wird Ihnen mit diesem Artikel auch nicht anders ergehen. Aber gut gemeinte Tipps renommierter Zeitschriften wie: "Überlegen Sie, ob Sie nicht die Rasenfläche zugunsten einer Schmuckfläche aus Kies und Splitt aufgegeben", "Haben Sie an eine Sichtschutz-Hecke aus Kirschlorbeer zum Nachbarn gedacht?" oder "So einfach planen Sie ihren pflegeleichten Garten!" erklären machmal allerdings , warum es in vielen Gärten so aussieht wie es eben aussieht: uniform und langweilig, steril. Berichte über das Anlegen eines pflegeleichten Gartens gehören zu den fakenews, übrigens.
Oder sagen wir es mal so: Was landläufig unter "pflegeleichten Anlagen" verstanden wird, sind keine Gärten, jedenfalls nicht für mich! Nicht einmal der Vorgarten bestehend aus grauen Splitgräbern, umrahmt von ebenso dunkelgrau befüllten Gabionen, die momentan wie Pilze aus dem Boden zu sprießen scheinen, ist leicht zu händeln. Sicher , man muss keine Staudenpflege betreiben, aber Unkräuter sind schlau, sie finden Ihren Weg.
Was Gartenneulinge brauchen, sind handfeste Beispiele für die optimale grüne und nachhaltige Gestaltung, unbhängig von der Größe des Grundstückes.
Der kleinste Garten, den ich je geplant habe, ein Hinterhof im englischen Oxford, maß 8x5 m und sollte Bäume, Wege, einen Sitzplatz an einem Wasserlauf und jahreszeitlich attraktive Staudenpflanzungen enthalten. Wer hätte es gedacht - es wurde eine kleine grüne Oase! Es ist einfach immer eine Größen- und Formfrage, denn für (fast) alle Pflanzen gibt es Zwergformen; Bodendecker sind essentiell und langlebige Beete brauchen stabile Pflanzstrukturen! Wie fängt man aber nun an?
Falls Sie ohne den grünen Daumen geboren wurden, nicht verzagen! Attraktive Gärten können auch durch einheimische Gehölze, genügsame Stauden, Zwiebelblumen und natürliche Materialien für Wege und Sitzplätze glänzen. Fortgeschrittene und ambitioniertere Gartenbesitzer spielen mit Gräsern, Gruppenpflanzungen von Stauden und anspruchsvolleren Sträuchern und Kleinbäumen.
"Was ist das nit gifft ist?...
…Alle ding sind gifft und nichts ist ohn gifft.
Allein die dosis macht das ein ding kein gifft ist.“
So schrieb es der experimentierfreudige Schweizer Arzt Paracelsus Anfang des 16. Jahrhunderts und machte sich mit Äußerungen wie dieser zu seiner Zeit nicht nur in Medizinerkreisen erheblich unbeliebt.
Im Großen und Ganzen stimmt man seiner Aussage sicherlich zu, allerdings gibt es Toxine, die in so minimalen Dosen verabreicht werden müssten, dass es für den Hausgebrauch nicht anzuraten wäre, sie als Heilmittel einzusetzen. Voraussetzung für eine bewusste Verwendung von Pflanzen als Naturheilmittel ist in jedem Fall das Wissen über die heilbringenden Gewächse der Natur. Und darin besteht die Crux: Kaum einer weiß noch, was bei uns auf der Wiese, im Wald, im Garten oder sogar im Blumentopf zu Hause wächst.
Seit Paracelsus´ Zeiten haben wir uns immer mehr von der Natur entfernt, wir leben entkoppelt von unserer Umwelt und sehen das Grün als etwas, was „da draußen“ ist, ohne zu realisieren, dass wir immer noch ein Teil davon sind. Dabei gehören die Kenntnisse über die Wirkstoffe von Pflanzen zum Urwissen der Menschheit. Mit der heutigen Unkenntnis kommen Vorurteile und Fehlentscheidungen; wir verbannen einige Giftpflanzen aus unseren Gärten, um sie, unwissend, durch andere zu ersetzen. Wie oft hört man, dass der Fingerhut nicht im Garten geduldet wird; der Goldregen, die Herbstzeitlosen, die Heckeneiben, Lorbeerkirsche und sogar der Buchsbaum dagegen gerne in Pflanzungen verwendet werden, diese aber ebenso giftig, einige sogar um ein Vielfaches giftiger sind oder zumindest giftige Anteile besitzen. Der schöne, oft in Schattenanlagen gepflanzte Blaue Eisenhut (Aconitum napellus) ist eine der giftigsten Pflanzen Europas überhaupt. Wird er nur in geringster Dosierung als Medizin eingesetzt, lindert er Übelkeit, Erbrechen und Durchfall, allein die Berührung kann allerdings ausreichen, um einen Hautausschlag durch das Gift Aconitin auszulösen, 2-5 Blättchen der Pflanze können tödlich sein.
Erst die Kenntnis um die Wirkstoffe der Pflanzen erlaubt es uns, jene bewusst in unsere Umwelt zu integrieren und uns trotz der Gefahr an ihnen zu erfreuen.
Gifte wurden über Jahrtausende von Naturvölkern intensiv genutzt und werden es heute noch. Von südamerikanischen Indianern zur Jagd genutzte Phytotoxine wie beispielsweise das Curare sind, wenn auch heutzutage synthetisch verbessert, ein wichtiger Teil unserer modernen Medizin. Genauso wie das Atropin der Tollkirsche, das Opium des Mohns, das Strychnin der Brechnuss (Nux vomica in der Homöopathie) oder die Glykoside des Fingerhutes, der Maiglöckchen oder des Oleanders. Die im Mittelalter oft als „Frauenkraut“ verwendete Alraune (Mandragora officinarum), ein Nachtschattengewächs - wie übrigens die Tomate und Kartoffel auch! - wirkt als äußerst starkes Halluzinogen, da sie einen ganzen Cocktail aus Giftstoffen enthält, unter anderem Alkaloide. Wohlwissend, aus ihr keinen Tee zu brauen, wächst sie bei mir im Garten, ein Muss für Kräuterhexen, Botaniker und Harry-Potter-Fans! Mit vorangegangener Aufklärung der Familienmitglieder, versteht sich.
Verzichten wir nicht auf den Rittersporn, den Holunder, auf Wolfsmilch, Farne, Trollblume, Mohn und das Tränende Herz (Giftpflanze des Jahres 2017), auf die Engelstrompete, die sich an vielen Terrassenwänden oder Pergolas hochwindet, auf Robinien, Christrosen und Hortensien, welche übrigens Blausäureverbindungen, ebenso wie die Buschbohne im Gemüsegarten, enthalten!
Aber genug von den giftigen Vertretern des Grüns. Ebenso erfreulich und mehr noch hilfreich für den Hausgebrauch sind die Heilkräuter, die ohne Bedenken in Tee oder Badewasser gelegt werden können. Thymian, Minze, Salbei und Co. sind die gerngesehenen Vertreter des Kräuterbeetes, während zB. Kamille, Spitzwegerich oder Huflattich, als „Unkraut“ weggehackt, durch ihre Wirkstoffkomplexe aber höchst effektiv bei Atemwegserkrankungen helfen. Eine ganze Armada an natürlichen Helfern stünde uns zur Verfügung, wenn wir uns nur mehr damit befassen würden.
Wissen und Weitergabe von Wissen ist das A und O für die Navigation durch das Kräuteruniversum.
Völlig unwissend war auch ich allerdings kürzlich, als mir eine Freundin ihre Parakresse als höchst interessante Heilpflanze zum Kauen anbot! Ein Biss in eine Parakresseblüte ist ein Erlebnis, das man sein Leben lang nicht mehr vergisst! Nach einem anfänglich scharfen Geschmack folgte ein bitter-brennendes Prickeln, gefolgt von einem langanhaltenden Taubheitsgefühl im Mund, das, in meinem Fall, mit einem erheblichen Speichelfluss begleitet wurde. Wäre mir gesagt worden, was es mit der Wirkung dieser Pflanze auf sich hat, hätte ich mir eine Creme daraus gemacht, denn wer es- wie ich- noch nicht wusste: Parakresse ist das neue Botox!